10.09.2023, cg
Der Soziologe El-Mafaalani beschreibt in "Mythos Bildung" den Zustand des deutschen Bildungssystems, seine Stärken und Schwächen und wie es langfristig verbessert werden kann. Dabei geht es ihm im Kern gar nicht um Bildung, sondern um soziale Ungleichheit und darum, trotz sozialer Ungleichheit die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland zu verbessern.
Der Titel "Mythos Bildung" bezieht sich auf dem Autor zufolge unrealistische Erwartungen an Bildung. El-Mafaalani bestreitet, dass rein über Bildung gesellschaftliche Probleme gelöst werden könnten. Diese könnten vielmehr gelöst werden, indem um die institutionalisierte Bildung - also vor allem die allgemeinbildenden Schulen - herum ein Netzwerk aus professionellen und freiwilligen Helfern geschaffen würde. In diesem sollten die sehr unterschiedlichen Lebensbedinungen der Schülerinnen, die sich vor allem oft stark von denen der Lehrkräfte unterschieden, aufgegriffen werden, um Benachteiligung abzubauen und Schwache wie Starke passend zu fördern.
So konkret und überzeugend viele von El-Mafaalanis Überlegungen auch sind, hat das Buch doch zwei große Schwachpunkte:
Erstens führt der Autor den Begriff der Bildung ein, nur um zu erklären, dieser lasse sich nicht scharf definieren. Somit entzieht er seinem ganzen Werk eine wichtige wissenschaftliche Grundlage. Dieses wird noch erschwert dadurch, dass zweitens viele seiner Behauptungen weder schlüssig begründet noch empirisch belegt sind. Dort wo Aussagen durch andere Quellen untermauert werden, sind die Zitate oft ungenau, indem nicht auf einzelen Textpassagen sondern auf ganze Artikel oder gar Bücher verwiesen wird.
Lohnt sich "Mythos Bildung" für Nerds?
Trotz den genannten erheblichen Schwächen ja. Viele sozialwissenschaftliche Überlegungen sind sehr wertvoll und zeugen davon, dass der Autor sich intensiv mit der deutschen Gesellschaft befasst hat. Wer sich für das Schulsystem und seine Position in unserer Gesellschaft interessiert, sollte dieses Buch lesen. Lediglich wer selbst schon weitreichende und tiefgreifende Kenntnisse auf diesem Gebiet hat, wird in "Mythos Bildung" vermutlich nicht viel Neues erfahren.