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Dokumentation gegen Diktatoren

Russlands Angriff auf die Ukraine zeigt überdeutlich, wie gefährlich es ist, wenn Einzelne zuviel Macht haben. Was aber tun wir mit dieser Erkenntnis? Die Denk-Helden von Nerdhalla haben eine Idee.

18.06.2022

Es ist eine alte gesellschaftliche und politische Erkenntnis, dass zuviel Machtkonzentration auf einer Person gefährlich ist. Wer noch Zweifel an dieser Erkenntnis hatte, dem hat Wladimir Putin nun freundlicherweise (Sarkasmus-Alarm!) noch ein eindrückliches Lerngangebot gemacht.

Putin als mit nahezu grenzenloser politischer Macht ausgestatteter Diktator hat sein Nachbarland Ukraine angegriffen und großflächig mit Krieg überzogen. So wissen wir nun leider, dass die Zeiten, in denen skrupellose Machthaber großflächigen Angriffskrieg als politisches Mittel einsetzen, noch nicht vorbei sind. Jetzt, da wir es wissen, müssen wir etwas tun. Wir müssen aktiv daraus lernen und die richtigen Maßnahmen ergreifen - Maßnahmen gegen gefährliche Machtkonzentration in den Händen Einzelner.

Dieses Unterfangen ist wichtig - und leider sehr schwierig. Die liberalen europäischen Eliten haben in dieser Hinsicht keine Lösung. Die Theorien, die ihr Denken leiten, scheinen erschöpft.

Die Kräfte des Marktes, auf die die Wirtschaftsliberalen vertrauen, schaffen eher Machtfülle als dass sie sie nivellieren. Jede kleine Firma, die ein bisschen erfolgreicher als andere ist, hat die Gelegenheit, sich zu einem riesigen Konzern zu entwickeln, dessen Geschäftführerin mit dem Bundeskanzler Kaffee trinkt und dessen Lobbyisten den Bundestag belagern.

Verbote, auf die sozialliberalen Eliten ironischerweise so gerne setzen, werden auch nicht greifen, da Macht sich nicht verbieten lässt. Macht ist keine Handlung, die verboten werden kann, sondern ein Status als Folge vieler einzelner Handlungen. Solche Handlungen müssen keineswegs schlecht sein. Wer viele gute Ideen hat, unermüdlich an der Lösung von Problemen arbeitet und seinen Mitmenschen Hoffnung gibt, der erwirbt mit hoher Wahrscheinlichkeit Macht. Seine Produkte werden gekauft, er wird von seiner Chefin befördert oder von seinen Mitbürgern in ein politisches Amt gewählt.

In einigen Fällen folgt auf jeden Machterwerb ein weiterer, bis Wirtschaftsführer wie Jeff Bezoz, Rupert Murdoch oder Liz Mohn auf der Weltbühne erscheinen. Im Politischen können die selben, harmlos beginnenden Prozesse der Machtakkumulation Herrscher wie eben Wladimir Putin hervorbringen.

Was also können wir tun? Wir können zumindest einen Summanden von der Machtformel subtrahieren. Dazu müssen wir uns ein Argument FÜR Macht ins Gedächtnis rufen: Oft wird argumentiert, Führer in Politik und Wirtschaft bräuchten eine gewisse Machtfülle und auch eine gewisse ihnen zugebilligte Zeitspanne, um ihre Projekte zu verwirklichen. Dies ist nicht falsch. Nehmen wird beispielsweise eine Politikerin, die eine Vision für eine bessere Welt hat und bereit ist, Tag und Nacht dafür zu arbeiten. Sie würde offensichtlich nicht vorankommen, wenn jede einzelne ihrer Handlungen erst vom Parlament debattiert werden müsste. Sie sollte die Macht haben, zumindest Dinge von mittlerer Tragweite selbst zu entscheiden und durchzusetzen. Sie sollte sich auch nicht jeden Tag dafür rechtfertigen müssen, ihre Vision noch nicht zur Realität gemacht zu haben. Solche Dinge brauchen Zeit.

Menschen die sich ein Jahrhundertprojekt vornehmen, wollen sich deswegen verständlicherweise möglichst viel Macht für möglichst lange Zeit sichern. Aber nicht Alle haben mit ihren Projekten das Wohl der Menschheit im Sinne. Manchen geht es nur darum, mit der Macht ihre eigene Angst und das Gefühl der eigenen Unzulänglichkeit zu überdecken.

Idealerweise könnte man diejenigen, die Macht fürs Gute nutzen, von den machthungrigen Egomanen zuverlässig unterscheiden. Das ist bisher aber nicht gelungen und wird vermutlich auch so bald nicht gelingen. Deshalb ist ein objektives Kriterium nötig - und dieses Kriterium lautet:

Dokumentation.

Genauer gesagt: Dokumentation um Vertretbarkeit herzustellen. Diejenigen, denen es um die Sache geht, sollten ihre Arbeit möglichst gut dokumentieren, damit andere sie irgendwann vorübergehend oder dauerhaft fortsetzen können. Manch eine Visionärin tut dies nicht, weil es nicht zu ihrem kreativen Chaos passt und (scheinbar) Zeit kostet. Machtversessene tun so etwas aber gezielt nicht; denn sie wollen Abhängigkeiten schaffen und sich durch ihr exklusives Wissen unersetzlich machen.

Wir sollten deshalb Alle, die mächtige Positionen besetzen, zu einer lückenlosen Dokumentation anhalten. Wählerinnen sollten sich vor der Wahl also schlicht die Dokumentation von Politikern zeigen lassen und prüfen, ob sie ausreicht, damit andere den Job effizient übernehmen und nahezu nahtlos weiterarbeiten könnten. Wer potentiellen Nachfolgern keine vorbildliche Dokumentation anzubieten hat, wird nicht wieder gewählt.

Natürlich wird das in Ländern wie Russland, wo die Demokratie effektiv abgeschafft ist, nichts bringen. Aber in Deutschland und anderen demokratischen Rechtsstaaten können wir damit beginnen, diese Kultur zu etablieren. In Zeiten der digitalisierten Globalisierung wird jeder erfolgreiche Trend früher oder später in der ganzen Welt bekannt.



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